Interview: COCK SPARRER (DARYL SMITH)

Interview: COCK SPARRER (DARYL SMITH)
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Zehn Jahre Pause zwischen zwei Alben? Bei Cock Sparrer nicht ungewöhnlich. Wenn sie abliefern, dann stehts auf hohem Niveau, wie sie es auch im April dieses Jahres mit dem dem aktuellen Album Forever eindrucksvoll bewiesen haben. Wir haben das Album zum Anlass genommen, der Band einen Schwung Fragen zu stellen zum Album, zu Unterschieden gegenüber dem Vorgänger, dem Thema Live-Spielen wie auch der Zukunft der Band. Gitarrist Daryl Smith nahm sich für uns die Zeit, die Fragen zu beantworten.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Zwischen Here We Stand und Forever lagen zehn Jahre. Zu Beginn würde ich gerne wissen: Was ist dazwischen passiert? Warum haben wir so lange auf ein neues Album warten müssen?
Bevor wir Here We Stand aufgenommen haben, hatten wir vielleicht einen Gig pro Jahr. Sogar noch weniger Wir hatten 2001 einen Auftritt, dann einen 2003, und noch einen 2006, glaube ich! Also haben wir die letzten zehn Jahre daran gearbeitet, viel öfter aufzutreten. So um die 12 bis 20 mal pro Jahr. In der Zeit sind wir überall auf der Welt gewesen. Nicht jeder kann es sich leisten, zu Rebellion-Festivals nach Großbritannien zu kommen, um uns zu sehen. Also sind wir zu den Leuten gefahren. USA, Brasilien, Argentinien, Kanada, überall in Europa, auch Länder wie Serbien oder Kroatien. Also gab es jeden Monat einen neuen Gig, auf den wir uns freuen konnten, und der vorbereitet werden musste. Für ein neues Album blieb da nicht viel Zeit. Außerdem hatten wir immer gesagt, dass uns Qualität wichtiger ist als Quantität. Also wollten wir nicht auf Biegen und Brechen ein neues Album rausbringen, bevor wir sicher waren, dass die Songs dafür gut genug waren.

Wie würdest du die Unterschiede zwischen Here We Stand und Forever beschreiben? Was ist neu, was ist anders auf dem neuen Album?
Der größte Unterschied zwischen Forever und allen anderen Releases von Cock Sparrer ist die Produktion. Früher haben wir das Geld fürs Studio genommen, sind was trinken gegangen, und mit dem Rest haben wir unsere Songs aufgenommen. Here We Stand klang schon ganz ordentlich, aber dieses Mal wollte ich wirklich ein Album, das so gut klingt wie andere kommerzielle Alben. In den Siebzigern oder Achtzigern war es vielleicht okay, wenn alles ein bißchen holprig und blechern klang, aber inzwischen haben wir 2017, und es gibt so viele gut klingende Alben (vor allem von US-Bands), mit denen wir mithalten wollten. Wir sind immer stolz auf unsere Songs gewesen, aber nicht unbedingt darauf, wie sie klangen. Also habe ich viel Zeit investiert, um mich über das richtige Equipment zu informieren, über Studios und Aufnahmetechniken. Ich habe mit einem jüngeren Typen, James Bragg, zusammengearbeitet, der verstanden hat, was wir wollten, und es umsetzen konnte.

Sehen wir uns zuerst einmal den Titel an. Warum heißt das Album Forever?
Es ist verdammt schwer, einen Albumtitel zu finden! Wir saßen im Flughafen auf dem Rückweg von einer Show, und ein Typ von unserem Label Pirate Press hat plötzlich gesagt, „Warum nennt ihr es nicht einfach FOREVER?“ Und wir hatten alle sofort Ideen, warum das ein guter Titel wäre. Erstens werden wir natürlich nicht für immer weiter Musik machen, aber unsere Songs werden für immer da sein. Wir fanden den Gedanken gut, dass die Songs sofort nach der Veröffentlichung den Fans gehören, und sie uns so überdauern, noch lange über unser Karriereende hinaus. Zweitens haben wir uns gedacht, dass der Titel total gut auf T-Shirts und Tattoos und so aussehen würde. Also hat alles gepasst, und jeder von uns war aus verschiedenen Gründen damit einverstanden.

Ich würde gern über ein paar einzelne Songs des Albums sprechen. Einer davon ist Family Of One. Um wen geht es da?
Wie immer in unseren Songs geht es um jeden, den du willst. Wir haben vielleicht an bestimmte Personen gedacht, als wir den Song geschrieben haben, aber wir wollen, dass unsere Songs jeden ansprechen. Viele Leute kennen jemanden, der ihre Freundlichkeit ausgenutzt hat oder nur an sich selbst denkt. Also geht es in dem Song um genau diese Person, die du meinst.

Ein anderer interessanter Song ist In My Town. Was passiert in dieser Stadt? Und welche ist es?
Und wieder könnte das so gut wie jede größere Stadt sein. Wir stellen uns da natürlich London vor, aber wenn du aus Berlin oder New York bist, macht das keinen Unterschied. Wenn es dunkel wird, nehmen die meisten Großstädte eine andere Gestalt an, ob sie nun gut oder schlecht ist. Ich glaube, die Lyrics beschreiben das ziemlich gut, also kann man sich dabei jede Stadt vorstellen.

Dann gibt es noch I’ve Had Enough. Wovon hast du denn genug?
Von allem – haha! Wenn man sich die Welt heute so ansieht, fällt es einem leicht, Songs wie diesen zu schreiben. Es gibt da eine Menge Dinge, über die man sich aufregen kann. Aber im Grunde hat es was mit dem Generationenkonflikt zu tun. Die Brigade der politisch Korrekten urteilt mit ihren heutigen Standards über Vergangenes. Aber früher waren die Dinge eben anders. Das heißt nicht, dass sie richtig waren, und es ist gut, dass sich manches zum Besseren kehrt, aber man kann die Vergangenheit nicht nach heutigen Moralvostellungen bewerten. Außerdem geht es darum, dass wir früher für die Dinge gekämppft haben, die uns wichtig waren, aber unsere Kinder finden ganz andere Sachen wichtig und haben ihre eigenen Kämpfe auszutragen. Die Zeile „Did we really fight for all those things our children throw away? We thought we were heroes but it was just another day” bringt das ganz gut auf den Punkt.

Ich würde auch gerne noch über Us Against The World sprechen. Ist das so etwas wie ein Motto für euch? Worum geht es da?
Genau. Wir haben uns immer als Außenseiter gefühlt. Wir gehörten nie zu den coolen Leuten. Zu Beginn der Punk-Ära kamen wir aus der falschen Ecke der Stadt, um zur West End-Kunsthochschul-Truppe um die Pistols oder The Clash zu gehören. Sogar als Oi! groß rauskam, hatten wir das Pub-Rock-Punk-Image, also wollten die anderen Bands nicht viel mit uns zu tun haben. Die Plattenfirmen haben uns nie richtig verstanden, als fühlte es sich schon so an, als hätte sich die ganze Welt gegen uns verschworen. Aber es geht in dem Song nicht nur um die Band. Wenn man sich die Lyrics ansieht, merkt man, dass es um jeden geht, der Probleme hat und einen guten Freund an seiner Seite. Das kann der Ehepartner sein, Familienangehörige oder Freunde. Arm in Arm, immer füreinander da. Es geht um die Kraft, die loyale Freunde einem verleihen.

Wenn wir uns das Album noch einmal als Ganzes ansehen: Es ist jetzt seit einigen Wochen draußen. Wie waren die Reaktionen?
Bis jetzt waren sie großartig. Man erwartet immer eine Mischung aus Lob und Kritik, aber wir waren völlig erstaunt darüber, wie sehr die Leute das Album mögen. Wir sind sehr stolz darauf, und es ist schön, wenn es anderen auch gefällt.

Ihr tourt mit dem Album auch ein wenig. Bis jetzt sehe ich nur Shows in Großbritannien, Frankreich und Schweden auf dem Programm. Kommt ihr auch nach Deutschland?
Das Album ist im April erschienen. Seitdem waren wir in den USA, in Tschechien und in Deutschland (zweimal! Es gab 3 Clubshows in Berlin und ein Festival) Wir kommen noch einmal nach Deutschland, zum MAD Fest in Dresden mit Agnostic Front.

Cock Sparrer gibt es jetzt seit 45 Jahren. Seid ihr vor euren Auftritten noch nervös, oder ist es inzwischen zur Routine geworden?
Da müsstest du jeden einzeln fragen. Ich glaube, einige von uns sind immer noch ein bißchen nervös, aber das ist ein gutes Zeichen – es bedeutet, dass dir der Auftritt etwas bedeutet, und es eben noch nicht einfach zur Routine geworden ist. Ich persönlich war vor Auftritten noch nie nervös. Ich wollte schon als Kind immer nur Punk Rock spielen, also bin ich einfach glücklich, dass ich genau das machen darf. Es ist unser Leben. Und unsere Fans sind so großartig, dass man überhaupt nicht nervös sein muss. Warum sollte man Angst vor dem haben, das man liebt?

Generell gesagt: Warum sollte man zu euren Shows gehen? Was ist das Besondere daran?
Wir spielen nicht zu oft. Wir wollen, dass jeder Auftritt ein richtiges Event ist. Jemand hat mal gesagt, dass unsere Gigs wie Meisterschaftsspiele sind, und alle singen mit. So mögen wir das. Wir wollen, dass die Leute kommen, was trinken, ein bißchen tanzen, mit ihren Freunden mitsingen, neue Freunde finden, und danach glücklich nach Hause gehen.

Am Schluss bleibt mir nur noch eins: Wir haben jetzt über euer Album und eure Tour gesprochen. Gibt es denn schon Pläne für die nähere oder auch fernere Zukunft? Müssen wir wieder zehn Jahre warten?
Der Rest der Band ist in zehn Jahren schon über 70, also würde ich nicht unbedingt auf ein weiteres Album hoffen! Aber solange es uns gut geht und uns unser Job Spaß macht, und solange uns die Leute noch sehen wollen, spielen wir jedes Jahr ein paar Shows; bis wir nicht mehr können!

Weblinks COCK SPARRER:

Homepage: www.cocksparrer.co.uk
Facebook: www.facebook.com/cocksparreruk
Twitter: www.twitter.com/cocksparrer

Übersetzung: Karoline Zawistowska

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