WAVE-GOTIK-TREFFEN (WGT) 2017 – Sonntag (04.06.2017)

WAVE-GOTIK-TREFFEN (WGT) 2017 – Sonntag (04.06.2017)
Skinny Puppy, © Jana Breternitz
Geschätzte Lesezeit: 15 Minute(n)
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Dritter Tag in Leipzig und auch am Sonntag beim Wave-Gotik-Treffen 2017 wurde wieder so Einiges geboten, sowohl was das Wetter angeht, vor allem aber auch auf Seiten des Line-ups, denn mit Skinny Puppy, The Mission oder Peter Heppner auf der bekannten Seite und den (mehr oder minder) Geheimtipps Desperate Journalist, Fïx8:Sëd8, She Past Away oder Framheim auf der anderen wurde allerhand kredenzt. Wir haben für Euch am Sonntag ganze 18 Konzerte, die Auftritte von Noctulus sowie die Weinprobe mit Thomas Rainer und Oswald Henke besucht und zusammengefasst. Der Bericht ist zur besseren Übersicht, und um etwas im jeweiligen musikalischen Kontext zu bleiben, wieder nach dem jeweiligen Spielort zusammengefasst!

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Schnellnavigation: Alcest | Black Nail Cabaret | Chrom | Decoded Feedback | Desperate Journalist | Fïx8:Sëd8 | Framheim | KimKoiPeter Heppner | Nachtblut | Noctulus |  S.P.O.C.K. | She Past Away | Skinny Puppy | Soft Kill | The 69 Eyes | The Mission | Tying Tiffany | Vlad in Tears | Weinverkostung

Beginnen möchten wir mit einigen Aufnahmen der Gäste:

agra-Treffenpark

17:20 She Past Away (TR)
Den Abend auf der Agra eröffnen She Past Away, die nach eigenen Angaben einzige türkische Gothic-Rock Band. Der „Exoten-Bonus“ ist hier offensichtlich nicht nötig, es finden sich auch so zahlreiche Fans ein, es ist immerhin der zweite Auftritt, nach 2013, im Rahmen des Wave-Gotik-Treffens. Nach einem kurzen Tournee-Intermezzo durch Mexico geben sich She Past Away jetzt wieder in Europa die Ehre. Gerne würde man sich näher mit den Texten und Aussagen der dargebotenen Songs beschäftigen, leider mangelt es an deutschen Untertiteln – denn es wird ausschließlich in türkischer Sprache gesungen. Dennoch überzeugen die beiden Musiker, Volkan Caner (Gesang und Gitarre) und Doruk Öztürkcan (Keyboard), das Leipziger Publikum. Es wird getanzt und gefeiert. Beeinflusst von den guten Zeiten des Darkwave verbinden sich eingängige Melodien, gut gesetzte Drums und die wunderbar tiefe Stimme von Sänger Volkan zu sehr tanzbaren Songs.She Past Away bieten dem Leipziger Publikum einen guten Mix aus ihren bisher veröffentlichten Alben Belirdi Gece (2013) und Narin Yalnizlik (2015). Lieder wie Sanri, Kasvetli Kurlama, Ruh und Katarsis bringen die Menge in Wallung und die Füße zum Tanzen. Da ist es zum Schluss auch nicht mehr so schlimm, das man kein Wort versteht, bis auf das „Dankeschön“ der beiden Musiker. Kommt sehr gerne wieder zum WGT! (AZ)

20:40 The 69 Eyes (FIN)
Pünktlich um 20:40 Uhr wird es besonders dunkel: Die finnischen Dark-Rock Band beehrt das Wave-Gotik-Treffen mal wieder mit ihrer Anwesenheit. Die 1990 in Helsinki gegründete Band ist schon fast ein Fossil innerhalb Szene und lockt damit zahlreiche Fans inacn den agra-Halle. Vor der Bühne bildet sich ein auf The 69 Eyes neugieriger Pulk. Auf ihrer aktuellen Tour promoten Jyrki69 und seine Bandkollegen ihr aktuelles 2016 erschienenes Album Universal Monsters. Natürlich darf bei ihren Konzerten aber auch das Gothic Girl nicht fehlen. Es kommt, aber spät! Die Frisuren sitzen, schwarze Lederjacken und die obligatorischen Sonnenbrillen – The 69 Eyes machen optisch schon was her. Und musikalisch scheinen sie auch den Nerv der Leipziger zu treffen. Vor der Bühne wird gefeiert und getanzt. Ein schöner Abend für alle Düsterrock-Fans! Im Anschluss wird als Headliner The Mission erwartet. Wir sind gespannt! (AZ)

22:25 The Mission (GB)
Ein wahres Gothic-Rock Urgestein spielt heute als Headliner in der Agra: The Mission. Nach einem kleinen Intro betritt die Band unter viel Beifall die Bühne. Es ist nicht ganz so voll, wie man erwarten könnte, bei einer Band dieser Kragenweite. Die anwesenden Fans lassen sich von Wayne Hussey aber gleich in den Bann ziehen. Mit seiner wunderbar tiefen Stimme greift er das Publikum gleich frontal an. In über 30 Jahren Bandgeschichte sammeln sich schon ganz schön viele Klassiker an, doch wird auch das aktuelle Album Another Fall from Grace beworben. So sind der Titelsong Another Fall from Grace, das sehr rockige Met-Amor-Phosis und der mitreißende Song Can´t See the Ocean for the Rain zu hören. Das Publikum, welches The Mission schon länger begleitet, wartet allerdings auf die Oldtimer, wie Severina, Deliverance und Tower of Strength und wird auch nicht enttäuscht. Inzwischen hat sich die Agra doch noch ein bisschen mehr gefühlt und insbesondere am Rand wird sehr ausgiebig getanzt. Ein schönes Konzert, allerdings ohne große Überraschungen! (AZ)

01:00 Skinny Puppy (CDN)
Wie schon der Freitag zuvor, so soll auch der WGT-Sonntag musikalisch mit einem Mitternachtsspecial enden und hier steht der wohl spektakulärste Act des diesjährigen Wave-Gotik-Treffens auf dem Programm: Skinny Puppy. Die Kanadier um Nivek Ogre und cEvin Key sind Kult und warum das so ist, wird auch beim heutigen Auftritt, zu dem auch Gitarrist Matthew Setzer mit viel Einsatz beiträgt, wieder besonders deutlich. Ihre Live-Shows sind total abgefahren! So zeigt sich Ogre auch heute wieder in extremer Maskerade und steht komplett im Mittelpunkt einer vollkommen abgespaceten Show. Immer wieder wird der maskierte Fronter oder vielmehr sein Alter Ego im Rahmen der Show mit Spritzen malträtiert und muss am Ende dann regungslos von der Bühne getragen werden. Dazwischen präsentieren uns die Kanadier zu einem beeindruckenden Bühnenbild – wie großartig war denn bitte schön das pulsierende Dreieck im Zentrum der Bühne? – einen Überblick über ihre bewegende Werkschau und sparen auch nicht an beliebten Klassikern wie Tin Omen, The Choke, Killing Game oder Worlock. Höhepunkt der Show ist natürlich Assimilate am Ende des Main-Sets, bei dem wirklich die ganze Halle mittanzt. Aber auch über das wundervolle Candle, zum Abschluss einer wilden Achterbahnfahrt, freuen sich die Fans und nicht wenige zieht es danach noch in die anderen Hallen der agra um den so kräftig angeregten Bewegungsdrang weiter auszuleben. Was für eine Show! Das Warten darauf hat sich definitiv gelohnt! (MG)

Noctulus

Seitdem Noctulus 2009 in der Agra spielen durfte hat er Kultstatus auf dem WGT. Jahr für Jahr spielt er seine Musik am Walk-of-Fame für Lau. Er singt von rasierten Königinnen und goldenen Brüsten. Wobei das Dargebotene eher Kunst als Musik ist. Seine Fans hat er sicher. (DS)

Altes Landratsamt

18:20 Framheim (D)
Kein Wunder, dass heute das Alte Landratsamt schon so früh fast proppevoll ist, denn das Trio Framheim stammt aus Leipzig. Sie starten pünktlich und mit elektronisch poppigen Tönen. Die Musikrichtungen der Band sind vielfältig: Synth, Electronic, Wave und Industrial – wobei diese Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Framheims Songs bauen sich behutsam mit einer ganz eigenen Dynamik auf, entwickeln sich zu einer Berg- und Talfahrt, spielen mit überraschenden Elementen und Wendungen. Dorians markante, einprägsame Stimme hält diese fragilen, teils kraftvollen Klanglandschaften zusammen. Die Musik verknüpft elektronische Bestandteile mit Instrumenten wie Bass, Percussion und Gitarre, wobei diese schon mal mit einem Geigenbogen gespielt wird. Eine Synthese, die bewegt. Die Sängerin, die barfuß auf der Bühne steht, zeigt viele Seiten ihrer Musik. Das Publikum jubelt nach jedem Lied, die Band wird sehr gut angenommen. (JB)

19:30 Black Nail Cabaret (H)
Nach den elektronischen Tönen von Framheim erwartet mich jetzt eine etwas andere Stilrichtung – Black Nail Cabaret machen hochwertigen Dark-Pop, inspiriert vom “Goth” der 80er, durchmischt von einer Portion von Elektro-Nostalgie. Das Duo aus Emese Arvai-Illes und Krisztian Arvai, das zur Zeit in London beheimatet ist, stammt eigentlich aus Ungarn. Sie sind nicht nur wegen ihrer Musik bekannt, sondern auch und vor allem wegen ihrer theatralischen Bühneninszenierungen, was mir auch sofort ins Auge fällt, als die Sängerin die Bühne betritt. Leider musste sich die Band von personellen Veränderungen im letzten Jahr erholen, denn die exzentrische Keyboarderin Tarr Zsófia verließ Black Nail Cabaret. Krisztian ist aber mehr als ein würdiger Ersatz, er war Mitglied des ungarischen Szene-Kult-Ensembles Esokutur. Während er am Keyboard und Mischpult eher im Hintergrund steht, mischt Emese das Publikum ganz schön auf und wird mit großem Applaus belohnt. (JB)

Kohlrabizirkus

16:30 Chrom (D)
Zum heutigen Sonntag stehen Chrom als Opener hier im Kohlrabizirkus auf dem Programm. Bereits am frühen Nachmittag strömen die Massen in die heiligen Hallen. Die Stimmung ist von der ersten Sekunde an einfach nur großartig. Die sympathischen Dürener Christian Marquis und Thomas Winters wissen zu überzeugen und ziehen ihre anwesenden Fans in ihren Bann. Mit ihrem knalligen, tanzbaren aber gleichzeitig melodische Electro-Sounds bleibt kein Tanzbein still stehen. Die Band steht für eine Mischung aus Synthie-Pop, EBM und Club-Electro, soll also heißen: satte kräftige Beats und durchdringende Bässe, die richtig druckvoll aus den Boxen dröhnen. Diese werden garniert mit Ohrwurm-Melodien: Fertig ist das Chrom – Grundrezept. Frontmann Christian animiert seine Fans zum tanzen und Spaß haben und diese lassen sich nicht lange bitten. Auch in den letzten Reihen wird ausgiebig getanzt. Im Hintergrund der Bühne sieht man auf einer riesigen Leinwand das aktuelle Album Peak & Decay abgebildet. Hauptsächlich Songs davon werden heute Nachmittag gespielt. Viele Fans singen textsicher mit. Dies spricht für eine recht große Fanbase. Natürlich dürfen die Klassiker Losing Myself, Loneliness und Memories nicht fehlen. Leider ist nach gut einer Stunde der Zauber, der über dem Kohlrabizirkus lag, vorbei. Vielen hier Anwesenden ergeht es ähnlich. Sie sind nur wegen Chrom in den Kohlrabizirkus gekommen und die Halle leert sich recht schnell. Für mich gibt es hier beide Daumen nach oben, denn für mich sind Chrom das absolute Highlight hier auf dem WGT. (CM)

19:10 Decoded Feedback (CDN)
Wer bisher noch nicht so richtig in Wallung gekommen ist und die Beine bewegt hat, wird spätestens mit dem Auftritt des kanadischen Elektro-Projekts Decoded Feedback so richtig wach gerüttelt. Sänger Marco Biagiotti und Keyboarderin Yone Dudas lassen keine wertvolle Zeit verstreichen und hauen gleich voll in die Tasten. Im Kohlrabizirkus ist schon ordentlich was los und die Fans rücken auf nach vorn an die Bühne. Es wird gefeiert und getanzt, da bleibt kein Fuß unbewegt! Decoded Feedback, bereits 1995 gegründet, hauen heute alle ihre EBM-Kracher raus: “Another loss”, das rasend schnelle Bio-Vital oder das laute Phoenix. Die beiden Musiker bleiben dem Publikum des Wave-Gotik-Treffen nichts schuldig! Und das bedankt sich mit viel Beifall und schweißtreibenden Tanzeinlagen. Bei I’m the Night schleicht sich Clan of Xymox-Frontmann Ronny Moorings durch den Nebel auf die Bühne und unterstützt Marco und Yone mit seiner Gitarre. Eine interessante Kooperation! Natürlich gibt es mit Waiting for the Storm auch eine Hörprobe vom 2016 erschienenen Album Dark Passenger. Hier wird wieder an die Wurzeln von Decoded Feedback angeknüpft. Für großartige Bühnenshows sind Decoded Feedback ja nicht bekannt und so muss die Präsenz Marcos direkt am Bühnenrand ausreichen, aber auch Yone kommuniziert auf ihre Weise mit dem Publikum, welches sich von ihr immer wieder zum Mitklatschen animieren lässt. Das Motto „Hinter jedem starken Mann, steht eine starke Frau“ trifft hier voll zu, und dass die beiden hier in Leipzig auch Spaß an ihrer Arbeit haben, merkt man. Ein voller Erfolg! (AZ)

20:40 S.P.O.C.K. (S)
Noch bevor es losgeht, tritt unerwarteter Weise Sänger von VNV Nation Ronan Harris auf die Bühne. Die anwesenden Fans in der mehr als nur gut gefüllten Halle des Kohlrabizirkus waren ziemlich überrascht. Mit einer kurzen Ansage rief er Moderator Elvis auf die Bühne, um den nächsten Act anzukündigen, denn die Band S.P.O.C.K. aus Schweden stand auf dem Plan. Wie man schon am Namen erkennen kann, geht es bei S.P.O.C.K. um das riesige Thema Science Fiction und insbesondere um Star Trek. Dies kleiden die Schweden in ein Klang-Gewand aus Synthie-Pop. Doch bevor es auf in eine unbekannte Galaxie geht, werden an die Fans gelbe und blaue Luftballons verteilt. Diese stehen symbolisch für die Nationalfarben Schwedens. Diese Ballons sollen gleich zu Beginn der Show in die Luft geworfen werden. Welch’ eine großartige Idee! Sänger Alexander Hofmann und die Keyboarder Valdi Solemo und Johan Malmgren treten nacheinander in weißen spacigen Uniformen die Bühne und legten gleich ordentlich los. Space-Pop könnte man es einfacher halber nennen. Die Band war extrem gut gelaunt und vor allem Sänger Alexander gab sein Bestes, die Fans nicht nur mit seinem Gesang, sondern auch mit seiner Performance zufrieden zu stellen. Er nutzte die gesamte Fläche der Bühne für seine Tanzdarbietungen alla Android bzw. Roboter. Er inszeniert sich dabei mit einer riesigen Portion Humor selbst. Dies hatte auf alle Fälle einen extrem hohen Unterhaltungswert. Dadurch herrscht eine ausgelassene Partystimmung bis in die letzten Reihen, das heißt: Tanzen bis zum Umfallen. Eine aufwendige Lichtshow und Stroboskoplicht unterstreicht den spacigen Charakter. Bei All E.T. Aren’t Nice gab es wieder eine Dusche mit dem Wasser-Blaster. Die bekannten Lieder wie beispielsweise Never Trust a Klingon, Astrogirl und Alien Attack dürfen natürlich nicht fehlen. Der Song Back on Mars wird als Überraschung für die anwesenden Fans heute dargeboten, denn diesen spielen die Schweden recht selten auf ihren Konzerten. Als Zugabe dürfen S.P.O.C.K. einen improvisierten Song, angekündigt von Moderator Elvis, darbieten. Es handelt sich dabei um den Song Ice Machine von Depeche Mode. Ein würdiger Abschluss für ein großartigen Konzertes. Ganz zum Schluss kommt Moderator Elvis noch einmal auf die Bühne und gibt bekannt, dass Keyboarder Valdi heute Geburtstag hat und er sich ein deutsches Geburtstagslied wünscht. Das Publikum stimmt das Lied Weil du heut’ Geburtstag hast an. Gerührt nimmt Valdi die Wünsche der Fans entgegen und bekommt noch einen Kuchen inklusive Kerze überreicht. Sichtlich gerührt bedankt er sich bei den Fans. Welch eine großartige Show. Zum Abschluss stehen die drei Musiker auf der Bühne machen den Vulkanischen Gruß und geben die Worte, “live long and prosper”, auf den Weg. Damit war dann endgültig Schluss. (CM)

22:20 Peter Heppner (D)
Nach einem kurzen Umbau kam der deutsche „Grandseigneur der Schmuse-Stimme“ als Hauptact des Abends auf die Bühne hier im Kohlrabizirkus. Viel braucht es ja nicht für ein Peter Heppner Konzert. Dazu gehören ein Schlagzeug für Achim Färber, das Keyboard für Dirk Riegne, Gitarrist Carsten Klatte und natürlich das wichtigste Accessoire: Der Notenständer für den Sänger, der sich auch wieder auf seine typische Art und Weise zeigte. Und das bedeutet selbstverständlich ein vollkommen unspektakuläres Outfit, reichlich Unsicherheit zwischen den Songs und das trotz fast perfekter Stimme. Es folgt ein gelungener Streifzug durch die musikalische Biographie Peter Heppners, natürlich auch mit alten Wolfsheim-Klassikern, die immer wieder eingestreut und von den Anwesenden frenetisch bejubelt werden. Kein Zurück, Künstliche Welten oder Once in a Lifetime eignen sich aber auch hervorragend zum Mitsingen und zum Abtauchen in eine fremdartige, stressfreie Atmosphäre, wie als wäre man in einer heilen Seifenblase – trotz der zum Teil ja recht melancholischen Texten. Über die Performance lässt sich sonst nicht viel sagen, außer einem gehauchten “Dankeschön” kommt nicht so viel über die Lippen des Sängers, aber viel mehr braucht es bei so einem Ausnahmekünstler ja auch nicht. Peter Heppner bietet genau das, was man erwarten kann: Herausragende Stimme und verträumten Elektro-Pop. Begleitet von einer Mannschaft kompetenter Musiker kann man so dem Alltag bestens entfliehen und die Seele baumeln lassen. Die Lichtershow taucht die Bühne in bunte Farben und durch eine nahezu perfekte Akustik, kommt bei den anwesenden Fans schnell Kuschelstimmung auf. Auffallend viele Paare sind heute hier im Kohlrabizirkus versammelt. Es wird im Takt geschunkelt und meistens liegen sich alle wie verträumt und verzückt in den Armen. Bei Die Flut wird ausgiebig mitgesungen. Das ist auch schon das spektakulärste, was an diesem Abend passiert. Muss ja auch nicht, denn wer Peter Heppners Konzerte kennt, weiß, dass allein seine Stimme als Präsenz auf der Bühne ausreicht, um die Anwesenden in seinen Bann zu ziehen. Ein großartiger und würdevoller Abschluss für diesen Pfingstsonntag. (CM)

Stadtbad

17:50 Fïx8:Sëd8 (D)
Wer sich heute schon frühzeitig auf das große Finale im Rahmen des Mitternachtsspezials in der agra (Skinny Puppy) einstimmen möchte, der schaut um kurz vor 18:00 Uhr im Stadtbad vorbei, wo Fïx8:Sëd8 ihre Spuren hinterlassen, und dass nicht nur, weil Fronter Martin Sane wie ein Tiger auf der Bühne hin und her läuft, sondern auch, weil die Beats des Duos in Mark und Bein gehen. Das Stadtbad ist bestens gefüllt und die Anwesenden bekommen feine Synthie-Flächen aber auch wummernde Beats zu spüren, die retro wie futuristisch zugleich anmuten. Der Puppenkopf besetzte Mikroständer ist weitestgehend Zierde. Nur selten sieht man Martin dahinter verweilen, denn auch er selbst ist wie elektrisiert und lebt seine Performance voll aus. So vergeht die Zeit wie im Flug, dabei macht das Set wirklich Lust auf mehr. Hoffen wir, dass wir Fïx8:Sëd8 nun öfter mal live zu Gesicht bekommen. (MG)

Volkspalast Kuppelhalle

20:20 Soft Kill (USA)
Im Volkspalast treten die Bands in diesem Jahr alternierend auf, da sich bei parallel laufendem Programm durch die räumliche Nähe beider Bühnen der Sound überlagern würde. Für die auftretenden Künstler ist das natürlich sehr komfortabel, da diese so viel mehr Zeit für den Soundcheck haben. Für das zu früh angereiste Publikum bietet sich so die Gelegenheit, ihren (zukünftigen) Idole mal ganz unaufgeregt in Alltagsklamotten beim jammen und proben zuzuschauen. Soft Kill spielen eine Musik, die sich anhört, als käme sie aus einer Zeit, in der sich die noch blutjunge Szene gerade anfing vom Zusammenbruch von Joy Division zu erholen, in der The Cure noch cool und Bauhaus noch keine Legenden waren. Für die Band aus Portland, Oregon, ist ihr Auftritt unter der Kuppel gleichzeitig auch ihre WGT-Premiere. Ich muss zugeben, für mich auch, denn Soft Kill waren mir bisher noch nicht unter die Ohren gekommen. Allerdings bin ich für gepflegten, klassischen Post-Punk immer zu haben und so bin ich vom ersten Song an ziemlich angetan von den drei Amerikanern. Die Musik ist dominiert von einer halbakustischen Gitarre, die den typischen, stark an The Cure erinnerten Sound erzeugt, und einen auf Minimal-Punk programmierten Computer (der eigentliche Drummer scheint an diesem Abend nicht mit von der Partie zu sein), wie ihn auch The Sisters of Mercy benutzen. Augenblicklich fühlt man sich in die Anfangszeit der Szene zurückversetzt. Die Stimme des Sängers, die sich wirklich wie eine Mischung aus Morrissey und Ian Curtis anhört, trägt ihr übriges dazu bei. Der Saal unter der Kuppel ist brechend voll, Soft Kill scheinen bei den Besuchern keine Unbekannten zu sein. Der Run auf den Merch-Stand nach dem Konzert lässt darüber hinaus vermuten, dass die Band am heutigen Abend noch den einen oder anderen Verehrer hinzu gewonnen hat. Mich jedenfalls haben sie überzeugt. (KS)

22:40 Alcest (F)
Eigentlich ist es kaum zu glauben, aber die meiste Zeit seines bisherigen Lebens verbrachte Neige (Stéphane Paut) mit seiner Band Alcest, die er 2000 mit gerade 15 Jahren gründete. Das ist insofern amüsant, als dass die Beschreibungen der Band, was ihren Werdegang und Stellung innerhalb der Musikszene betrifft, gegensätzlicher kaum sein könnten. So werden Alcest auf der einen Seite immer noch als Geheimtipp und Neige als vielversprechendes Talent gehandelt, auf der anderen Seite als Veteranen des Black-Gaze und Ausnahmekünstler fanatisch verehrt. So in etwa konnte man auch die Verortung der Band im line-up des WGT verstehen: schon irgendwie Headliner an diesem Pfingstsonntag, jedoch an einem der kleineren Veranstaltungsorte, aber wenn schon, dann unter der Kuppel des Pantheons, denn da ist die Akustik ja so gut – immerhin. Es verspricht also ziemlich früh, ziemlich schnell eng zu werden. Und so sind die ersten Fans bereits eine Stunde vor Beginn zugegen, um sich die erste Reihe vor der schmalen Bühne, die weit in den Saal hineinreicht, zu sichern. Obwohl die Franzosen bei Spöttern eher in dem Ruf stehen, eine Art “Mädchen-Metal“ zu machen, ist der überwiegende Teil der Zuhörer männlich. Die Stimmung ist gemessen an der fortgeschrittenen Uhrzeit ruhig, erwartungsvoll und beinahe feierlich. Alcest schreiben Symphonien aus Empfindsamkeit. Für zerrissene Seelen, die zwischen den verschiedenen Lebenswelten verzweifeln, sind sie Wundpflaster und Katharsis. Es sind hochkomplexe und aufrüttelnde Kompositionen, die zu Tränen rühren und sich als reale Empfindungen im ganzen Körper manifestieren. Kodama vom gleichnamigen aktuellen Album eröffnet das Konzert an diesem Abend. Es wird beinahe unmittelbar deutlich, wie gut die neue exponierte Rolle von Winterhalters (Jean Deflandre) Drums von Kodama auch live funktionieren. Trotzdem scheint sich beinahe alles auf den Sänger und Komponisten zu konzentrieren. Neige wirkt in den zauberhaften melodischen Episoden von Ecailles Des Lune Pt. 2 so selbstvergessen und zwischen den wuchtig-virtuosen, infernalen Gitarrenwänden, wenn er seine eindringlich, quälenden Screams bei Oiseaux De Proie performt, so zerbrechlich, als wäre er irgendwo während den Stücken verloren und vollständig in seiner Musik aufgegangen. Das Publikum lässt sich davon gern gefangen nehmen und wirkt zum Teil wie hypnotisiert und genauso entrückt wie die Band. Bei Délivrance steht ein Großteil der Fans mit geschlossenen Augen da und saugt den Song wie Sonnenstrahlen am ersten Frühlingstag nach einem langen, langen Winter in sich auf. Als am Ende des 10-minütigen Stücks ein Künstler nach dem anderen die Bühne verlässt, schauen viele noch lange ungläubig auf die Szenerie, bevor frenetischer Jubel ertönt. Es ist schwer, nach einer solchen Erfahrung, den Weg zurück in die reale Welt anzutreten. (KS)

Felsenkeller / Naumanns

16:50 Nachtblut (D)

Als Askeroth, der Sänger von Nachtblut, die Menge im Felsenkeller/Naumanns begrüsst, sieht er ein volles Haus. Das Publikum geht zu den düster-rockigen Klängen vom ersten Moment an gut mit. Das Licht auf der Bühne ist entweder nicht vorhanden, oder aber blendend weiße Scheinwerfer leuchten das Publikum von der Bühne herab an. Dies tut der Stimmung allerdings überhaupt keinen Abbruch – und wer einen Blick auf die rechte Seite der Bühne wirft, kann schon an den Reaktionen der dort stehenden Fans erkennen: Hier spielt der Bassist von Stahlmann, der allein durch seine Anwesenheit sicher noch einiges zum Erfolg des Gigs beiträgt. Als Rausschmeißer bringt die Band eine Dark-Metal Version von Alles Nur Geklaut (Die Prinzen) – und alle haben ihren Spaß und singen inbrünstig mit. (DG)

Volkspalast Kantine

21:35 Desperate Journalist (UK)
Kommen wir zu der vielleicht heißesten Band des diesjährigen Wave-Gotik-Treffens: Desperate Journalist! Die Briten schicken sich gerade an, die dunklere Seite der Indie-Welt im Sturm zu erobern. Post-Punk mit starken Melodien ist ihr Markenzeichen und sie stehen damit in bester Tradition der leider viel zu schnell wieder aufgelösten The Organ. Doch auch an poppigere Bands wie die Cranberries und Co. mag man denken, wird insbesondere live aber von einer dermaßen heftigen Energie übermannt, dass es einen förmlich mitreißt. Die bildhübsche und enorm stimmgewaltige Sängerin Jo Bevan, die immer wieder mit dem strahlend-rot leuchtenden Mikrofonkabel spielt und sich dieses um den Hals legt, zieht uns gemeinsam mit der Rhythmus gebenden Soundfraktion in einen wahren Sog und peitscht uns solch druckvolle Songs wie Control oder Why Are You So Boring um die Ohren. Nein, langweilig ist das wahrlich nicht, sondern einfach nur beeindruckend! Stillstehen ist hier nicht möglich, alle im Publikum starren gebannt auf die Bühne und tanzen oder wippen im Takt. Eine starke Band mit großartiger Livepräsenz – Besser geht’s kaum … (MG)

VEID – Bundesverband verwaiste Eltern

12:50 KimKoi 

Schon früh morgens bekomme ich nach langer Nacht und wenig Schlaf einen Anruf einer guten Freundin: „KimKoi spielen gleich. Kommste?“. Wer war nochmal KimKoi? – Ach ja, die Nachfolgeband von Schock … So mache ich mich flux auf in die Leipziger Innenstadt. Gerade noch pünktlich komme ich dort an – nur um zu erfahren, dass sich der Anfang des Konzerts um eine halbe Stunde verzögere: Frau Benecke hätte ihren Termin entsprechend später wahrgenommen …
Der Eingang zum VEID, dem Bundesverband Verwaiste Eltern in Deutschland e.V. , liegt ein wenig versteckt in einer Seitenstraße. Das Konzert selbst findet im ersten Obergeschoss statt – in einem bestuhlten Raum, der Platz für grad mal 50 Leute bereit hält. Umso intimer ist die Atmosphäre, was dem Ganzen wirklich einen besonderen Rahmen gibt. Schließlich spielt die Band „unplugged“ und lässt den einen oder anderen mit geschlossenen Augen das Konzert genießen. Aufgrund des engen Zeitkorridors kann die Band leider nicht ihr komplettes Set spielen. Dennoch: Dies war ein überraschender und gelungener Start in den letzten WGT-Tag. (DG)

NonTox

15:30 Tying Tiffany (I)
Mit dem Zeitplan nimmt man es in der Outdoor-Location Non Tox wohl nicht so genau, denn Tying Tiffany startet mit gut 20 Minuten Verspätung in ihren Auftritt. Von Anfang an gibt es offensichtlich Probleme mit der Technik und man gibt sich alle Mühe diese auch während des Konzerts zu beheben. Zufrieden sieht der Mann an der Gitarre, den Sängerin aus Italien zur Unterstützung mitgebracht hat, dennoch nicht aus. Das 2004 gegründete Eine-Frau-Electronic Projekt bringt ordentlich Glanz auf die kleine Bühne, ein optisches Highlight und auf jeden Fall stimmlich überzeugend. Auch die Wassertropfen, die vom Bühnendach natürlich genau auf die zarte Künstlerin fallen, können der Performance von Tying Tiffany nicht wirklich schaden. Mit richtig viel Gefühl und Körpereinsatz -man leidet förmlich mit- bringt sie den Ohrwurm One Second auf die Bühne. Lost Way geht dann richtig nach vorn, auch der Gitarrist gibt Gas und greift in die Saiten, Borderline bietet dann wieder einen etwas ruhigeren Sound. Trotz aller Widrigkeiten bietet Tying Tiffany dem Publikum eine überzeugende Show, bei der man sehr gut erkennen kann, dass in ihr auch eine Schauspielerin steckt. Tying Tiffany ist tatsächlich ein Multitalent- Sängerin, Songwriterin, DJane, Model und eben Schauspielerin. Damit nimmt sie das Publikum vor der Non Tox-Bühne auch für sich ein, welches tanzt und auch ein bisschen mitleidet. (AZ)

18:10 Vlad in Tears (D)
Die aus Italien stammende Band Vlad in Tears wurde 2007 gegründet. Zu Beginn ihrer Karriere probierten sie sich zunächst an einigen Coversongs aus, gingen jedoch schnell dazu über, ihren ganz eigenen, düsteren Sound zu kreieren. Diese Entscheidung wurde begeistert von ihrer rasch wachsenden Fangemeinde aufgenommen. Bisher sind sie eher als Support für Mono Inc, Stahlmann oder Unzucht bekannt. Wenn man die Jungs mit drei Worten beschreiben würde, dann mit: laut, hart und fesselnd. Ihre musikalischen Wurzeln liegen im Dark Rock. Mit ihrer Show hier im überschaubaren Non Tox unter freiem Himmel haben sie jeden Anwesenden von sich überzeugt. Irgendwie habe ich den Eindruck, die Jungs gehören eigentlich auf eine größere Bühne. Jedenfalls ziehen sie hier ihr Programm so durch, als würde ihnen eine riesige Halle mit dem dazu passenden Publikum zur Verfügung stehen. Sehr sympathisch mit einer riesigen Portion Humor haben sie auch einen gewissenen Unterhaltungswert und versprühen damit auch gute Laune. Ob es die einzigartige Stimme und Ausstrahlung des Frontmanns Kris Vlad ist, die die Leute vor der Bühne in ihren Bann zieht oder die Energie, die die gesamte Band mit ihren harten Riffs und treibenden Drums auf ihr Publikum überträgt und demselben damit förmlich die Schuhe auszieht. Von diesem Jungs werden wir in naher Zukunft bestimmt noch mehr hören. (CM)

Grassi Museum

Bereits zum 3. Mal riefen Thomas Rainer (Nachtmahr) und Oswald Henke (Goethes Erben) zur Weinverkostung. Getroffen wird sich auf dem Vorplatz des Grassi-Museums. Das Konzept ist einfach: Jeder der teilnehmen möchte, kommt zum Treffpunkt und bringt ein bis zwei Flaschen seines Lieblingsweines, sowie ein Glas, mit. Die Idee besteht darin, den teilnehmenden Weinliebhabern die eigenen Lieblingströpfchen vorzustellen. Eine gute Gelegenheit neue, gute Weine zu entdecken und eben mit den beiden Gastgebern ins Gespräch zu kommen. (DS)

Foto / Author: Anita Zeidler (AZ), Claudia Marquardt (CM), Danny Sotzny (DS), Dietmar Grabs (DG), Jana Breternitz (JB), Katja Spanier (KS), Michael Gamon (GM), Thomas Papenbreer (TP)

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