GOTHAM SOUNDS FESTIVAL V – Hilden, Area 51 (29./30.04.2017)

Fotos: GOTHAM SOUNDS FESTIVAL - Tag 1
Geschätzte Lesezeit: 8 Minute(n)

Schon das fünfte Mal wurde am 29. und 30. April des laufenden Jahres das Gotham Sounds Festival ausgetragen. In vertrauter Tradition wurde dieses wieder in der Jugend- und Begegnungsstätte Area 51 in Hilden abgehalten; einer Location, in der wiederholt alle Wünsche der Veranstalter umsetzbar waren und wurden. So konnten diverse Anbieter von Szene-Klamotten wie auch Accessoires oder Tonträgern ihre Stände in den Vorräumen aufbauen, die Betreiber selber standen für den Getränkeausschank zur Verfügung und auch der schmackhafte Beirut Grill hatte vor dem Gebäude seinen Wagen positioniert. Der Saal an sich bot genügend Platz für die zahlreichen Besucher und auch die Bands hatten dort die Möglichkeit, ihre Merchandise-Stände aufzubauen. Der Tisch war also vorfreudig gedeckt. Ebenso herzhaft wurde dann auch die Ankunft der angereisten Fans. Jede Menge Umarmungen und glückliche Gesichter durften dort gesichtet werden – das Gotham Sounds Festival besitzt halt wie wenige andere kleinere Festivals einen sehr familiären Charme.

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Samstag, 29.04.2017:

Gleich mit der ersten Band, welche mit einer leichten Verzögerung im Ablaufplan die Bühne betrat, wurden dann die Fans mit wunderbarer Musik belohnt. Denn es war niemand geringeres als die aktuellen Shooting-Stars der dunklen Szene, die sich innerhalb einer dreiviertel Stunde präsentieren konnten. Die Rede ist von dem rheinischen Quintett Holygram, welches mit seiner selbstbetitelten E.P. alle Augen und Ohren auf sich zog. So schnell sie nämlich ihre in Eigenproduktion geschaffenen Musikkassetten veröffentlicht hatten, so schnell hatten sie auch ein Label für sich gefunden, das die E.P. nun als Silberling anbietet. Ihr Set bestand somit großteils aus diesen Tracks wie dem flotten Still There oder dem träumerischen Acceleration. Und wenn solche Songs wie Hideaways es schaffen, ein halbes Jahrhundert alte Fleischbeschichtung in Gänsehaut zu verwandeln, dann kann man das nur als besonders und magisch bezeichnen. Selbst den kurzfristigen Ausfall der Gitarre konnte Holygram durch ein interessantes Soundgefüge überbrücken. Eine überzeugende Live-Performance, welche Appetit auf neues Material macht. Und der mit dem Arbeitstitel versehene Song Borders ist mehr als sättigend!

Setlist HOLYGRAM @ Hilden, Area 51 (29.04.2017):

01. Hideaways
02. Daria
03. Borders
04. Acceleration
05. Still There
06. Distant Light
07. She’s Like The Sun

Aus Polen war das Trio der Band Under The Skin angereist und hatte als zweite Gruppe die Bühne für sich. Mit einem tollen Gothic-Rock zeigten die Jungs aus unserem östlichen Nachbarland, dass auch dort gepflegter, düsterer Rock produziert werden kann. Ganz nach den Vorbildern des UK-Goths boten Under The Skin spannende Tracks wie Undone oder ihre brandneue Single Burn, die überzeugten. Leider machte sich bei diesem Auftritt wieder mal bemerkbar, dass ein leibhaftiger Drummer echt Gold wert ist, denn das Rhythmusinstrument aus der Konserve wirkt oftmals dumpf und mechanisch. Ansonsten jedoch waren die 45 Minuten des Trios in den anhaltenden Nebelschwaden sehr unterhaltsam und Freunde des klassischen Gothic-Rock sollten die Band aus Polen weiter in den Augen behalten!

Setlist UNDER THE SKIN @ Hilden, Area 51 (29.04.2017):

01. Cold
02. Wrong
03. Fall
04. Undone
05. Train
06. Burn
07. Wave

In meinem Vorbericht hatte ich noch gefragt, wie die einzige Dame am Mikrofon sich auf dem Gotham Sounds Festival zwischen all den ausdrucksstarken Sängern behaupten würde. Nun, die Band Whispering Sons hat alle weggeblasen! Bezeichnet man den Auftritt der belgischen Band um Sängerin Fenne Kuppens als schlicht beeindruckend, ist dies wirklich stark untertrieben. Der Sound der gesamten Band – von dem klaren Gitarrenspiel bis hin zu den E-Drums – war bestens ausgesteuert. Dazu die mehr als außergewöhnliche, dunkle wie charismatische Stimme von Fenne Kuppens – das ließ nach den ersten Tönen ziemlich schnell so manchen Kinnladen im Publikum herunterklappen. Mit dem voluminösen Opener Shadow über dem frischen und vorantreibenden 7“-Track Performance bis hin zum sich steigernden und abschließenden Insights – hier konnte man einen perfekten Auftritt einer engagierten jungen Band erleben. Alle Instrumentalisten zeigten Spielfreude pur und Fenne bringt die Lieder dermaßen ausdruckstark wie lebendig herüber, dass man einfach nur staunen kann. Tatsächlich alles sehr schwer in Worte zu fassen – einfach fesselnder moderner Post-Punk. Wer die Belgier bei ihrem Liveauftritt in Hilden verpasst hat: Das müsst ihr unbedingt nachholen!

Setlist WHISPERING SONS @ Hilden, Area 51 (29.04.2017):

01. Shadow
02. Alone
03. Performance
04. Skin
05. Hollow
06. White Noise
07. Strange Identities
08. Wall
09. Insights

Den letzten Auftritt des ersten Abends verblieb den britischen Children On Stun. Das Dreigespann war eigentlich schon im letzten Jahr für das Gotham Sounds Festival angedacht, aber musste leider kurzfristig absagen. So war von dem UK-Gothic-Rock-Kult ein bisschen Wiedergutmachung angesagt. Und ich glaube sagen zu können, dass dies wirklich gelang. Sehr gut gelaunt legten sich Sänger Neil Ash und Kollegen richtig ins Zeug und zogen das Publikum durch kurze Reisen von der Bühne in die Menschenmenge schnell mit sich. Das war allerdings gar nicht nötig, denn die meisten waren gekommen, um Tracks wie Tortured By A Sense Of Humour oder Downfall endlich nochmal – oder gar erstmalig – live zu erleben, denn der letzte Besuch der Briten auf deutschem Boden lag nun schon geschlagene zwanzig Jahre zurück! Es hieß innerhalb der gut 105 Minuten auch brandneuen Tracks zu lauschen und diese flotten Lieder Signs oder Echoes brachten direkt das gewohnte Children On Stun-Feeling herüber. Ein überzeugender Auftritt der drei Veteranen, die es sich nicht nehmen ließen, mit ihren absoluten Klassikern Sidelined und Celebration eine traumhaft schöne Zugabe hinzulegen und das Publikum für den ersten Abend zufrieden und glücklich zu hinterlassen.

Setlist CHILDREN ON STUN @ Hilden, Area 51 (29.04.2017)

01. Downfall
02. Hollow
03. Mondo Weird
04. Another Love, Another Beginning
05. Signs
06. Echoes
07. Tortured By A Sense Of Humour
08. Crawl
09. Scum
10. Beginning Of The End
11. Whisky A Go Go
12. Never Be Summer
13. Sidelined (Z)
14. Celebration (Z)

Der Abend war allerdings noch nicht vorüber. Die Zauberer hinter den Plattentellern namens DJ Cyberpagan und DJ Wahni hatten noch eine geballte Ladung von dunklen wie rockigen Tracks auf Lager und animierte so die verbliebenen Gäste, das alternde Tanzbein zu schwingen.

Sonntag, 30.04.2017

Der darauffolgende Tag begann mit erneut freudigen Wiedersehen von altbekannten Gesichter sowie angeregten Gesprächen über den doch so gelungenen ersten Abend des Gotham Sound Festivals, was natürlich mit dem ersten Bier des Tages am lockersten gelang. Dieser zweite Abschnitt splittete sich so ein wenig in Minimal und Maximal.

Recht passend zum Zeitplan stand somit das Duo der Band Siberia auf der Bühne. Für mich persönlich eine kleine Lehrstunde, hatte ich doch bei den Recherchen zum Vorbericht nicht den geringsten Anhaltspunkt darüber gefunden, dass sich hinter der britischen Band niemand anderes als Gitarrist Dave Drum von den seligen Vendammian verbarg. Und Sänger Matt Wyatt hatte 1995 ebenfalls ein kurzes Gastspiel bei Vendammian gegeben. So fügte sich aber das Puzzle zusammen, das auf der Social-Media-Webseite Facebook ein gewisser Vendammian Dave nicht gerade selten diese Band und ihren aktuellen Output mehrfach überschwänglich angepriesen hatte. Erwähntes Release ist das Debüt-Album mit dem Titel Turning Back Tides, das nicht nur die Plattform der Setlist darstellte, sondern komplett herunter gespielt wurde. Lieder wie A Moment To Breathe oder Exit entpuppten sich als wunderbare Gothic-Rock Tracks, welche direkt Laune auf mehr dieser dunklen Musikdroge verbreiteten. Leider musste man bescheinigen, dass die Rhythmusgeräte wie auch Synthies aus der Dose ebenfalls etwas dumpf wirkten. Das brillante Gitarrenspiel von Dave deckte dies jedoch sehr befriedigend ab. Dafür waren allerdings Abstriche bei Sänger Matt zu machen, der meiner Meinung nach zwar gesanglich ganz gut agierte, jedoch ansonsten irgendwie neben sich stehen zu schien. Somit war es auch keine große Überraschung, dass der Songtext immer wieder mal schnell abgelesen werden musste. Nichts desto trotz ein musikalisch feiner Start in den zweiten Abend.

Setlist SIBERIA @ Hilden, Area 51 (30.04.2017):

01. A Moment To Breathe
02. Light Up The Sky
03. Tricks
04. Exit
05. Red Light And Go
06. So Black And Blue
07. Waves
08. Earth
09. Crystal Clear
10. Broken

Auch die Band Traitrs trat mit zwei Künstlern als minimalistische Fraktion auf. Was diese beiden Musiker jedoch aus dem Synthesizer, der Konserve und der Gitarre herausholten, zollt doch schon einigen Respekt, bedenkt man außerdem die weite Anreise der Kanadier. In den gut 40 Minuten gaben die beiden Nordamerikaner ihre sehr magische Mischung aus Post-Punk und Cold Wave zum Besten. Die Setlist bestand Großteils aus ihrer Veröffentlichung Rites And Rituals, jedoch hatten die sympathischen Jungs mit Hand Of Holy Fingers und The Cutting sogar zwei brandneue Tracks ihrer aktuellen 7“ Single im Handgepäck. Songs wie das wunderbare Saviour oder Witch Trails füllten unter anderem die Spielzeit. Die Begeisterung und Spielfreude, welche Traitrs auf die Bühne brachte, wurde sehr wohlwollend vom Publikum aufgenommen und den lautstarken Beifall nutzen die Jungs zu einer noch lebendigeren Performance, auch wenn sie sich dann eingestehen mussten: “F**k – it’s so hot!“ Dass bei der aufopfernden Darbietung dann auch noch der Synthesizer von seinem Ständer schoss, war vielleicht nicht geplant und ist wohl etwas unglücklich bei geborgtem Equipment zu nennen, aber: Ende gut – alles gut! Traitrs bewiesen, dass sie ein Teil der Zukunft in Sachen dunkler Musik sind und ich glaube, dass sie nicht wenige Zuschauer als neue Fans hinzugewinnen konnten.

Setlist TRAITRS @ Hilden, Area 51 (30.04.2017):

01. Speak In Tongues
02. Youth Cults
03. Witch Trails
04. Gallows Hill
05. Burnt Offerings
06. Hand Of Holy Fingers
07. The Cutting
08. Saviour
09. Heretic

Der Umschwung in das Maximale wurde von der schwedischen Band Then Comes Silence eingeleitet, denn hier gab es nun ein fettes Gitarrenbrett. Drei Alben haben die routinierten Musiker nun schon veröffentlicht und dementsprechend ausgereift erschien auch ihr Auftritt in Hilden. In beeindruckender Manier spielte das Quartett Lieder wie She Loves The Night oder She Lies In Wait aus ihrer explosiven Mischung aus Death-Rock und Gothic-Rock, welcher eine feine Note Metal beigemischt wurde. Energisch und wuchtig präsentierte die Band innerhalb einer Stunde einen Mix aus ihrem bisherigen Schaffen mit Fokus auf den jüngsten Output Nyctophilian und sprang nach dem wunderbar vorgetragenen Slowly Dragging You Down sogar noch mit dem Track Sweet Curls als Zugabe zurück auf die Bühne. Then Comes Silence hat auf dem Gotham Sounds Festival bewiesen, dass sie trotz noch recht junger Bandgeschichte schon eine feste Größe im Genre darstellen und live eine mehr als anschauungswürdige Formation sind.

Setlist THEN COMES SILENCE @ Hilden, Area 51 (30.04.2017):

01. Spirits Flow
02. Deepest Darkest
03. Dead Cry For No One
04. Good Friday
05. Animals
06. She Loves The Night
07. Strangers
08. Spinning Faster
09. My Bones
10. Death Rides
11. She Lies In Wait
12. The Rest Will Follow
13. Slowly Dragging You Down
14. Sweet Curls (Z)

Der letzten Band des diesjährigen Gotham Sounds Festival wurde eine große Aufmerksamkeit entgegengebracht, stellen sie in Sachen Post-Punk einen wahrhaftigen Kultstatus dar und tauchten jüngst doch recht überraschend aus dem Nichts wieder zurück in der Szene auf. Mit einem neuen Album namens Bloodline sind nun die Briten von 1919 wieder lebendiger denn je. Die Songs des neusten Silberlings wirkten angenehm frisch und Lieder wie Retrograde oder Disassocciation kamen direkt beim Publikum an. Dementsprechend gelungen war der sehr überzeugende Auftritt der vier Briten, die natürlich jede Menge alte Tracks wie After The Fall oder Control, was so alt aber textlich leider immer noch aktuell in ihr Set mischten. Nicht wenige Zuschauer waren sehr glücklich, dass sie die Gelegenheit erhielten, ihre alten Lieblingssongs einmal live vorgetragen zu bekommen und ließen sich zu einem gepflegten Pogo hinreißen. Immerhin war die Blütezeit der Band in den frühen Achtzigern angesiedelt. Die Stunde verflog wie im Nu, bevor dann die Band nach einem Trinkspruch auf ihren verstorbenen Gitarristen und Gründungsmitglied Mark Tighe mit dem neuen Song Zeitgeist / Futureside das Gotham Sound Festival 2017 in Sachen Liveauftritten beendeten.

Setlist 1919 @ Hilden, Area 51 (30.04.2017):

01. Revenge
02. Retrograde
03. After The Fall
04. Alien
05. Bloodline
06. Dissassociation
07. Inquest
08. Repulsion
09. Dream
10. Control
11. Waiting For God
12. Death Note
13. Tear Down These Walls
14. Machine
15. Cry Wolf
16. Zeitgeist / Futureside (Z)

Natürlich konnte auch an diesem Abend durch die gewohnten DJs auf der After-Show-Party die Gelegenheit genutzt werden, mit den Klassikern unserer geliebten Genres in den Mai zu tanzen. Wie sieht nun das Fazit zum kleinen Jubiläum von fünf Auflagen des Gotham Sounds Festivals aus? Ich denke, ich spreche nicht alleine für mich, wenn ich sage, dass sich die Qualität der Bands stetig steigert und die angereisten Musikfreunde wieder einmal eine wunderbare Mischung von aufstrebenden wie auch etablierten bis hin zu Kult-Bands gefunden werden konnte. Das alles durfte erneut in einer sehr angenehmen und familiären Atmosphäre erlebt werden, bei der an Verköstigung keine Wünsche offen blieben und auch Freunde von Merchandise oder diversen Accessoires auf ihre Kosten kamen. Es bleibt nur, den Machern wie auch Helfern des fünften Gotham Sounds Festival ein großes Lob und ein noch größeres Dankeschön auszusprechen. Ihr habt ein besonderes Event geschaffen und wir dürfen uns alle glücklich schätzen, dass wir daran teilhaben durften. Mit riesiger Vorfreude warten wir alle nun auf die sechste Auflage des Gotham Sound Festivals in 2018!

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