PJ HARVEY – Köln, Palladium (15.10.2016)

Fotos: PJ HARVEY
PJ Harvey, © Michael Gamon
Geschätzte Lesezeit: 3 Minute(n)

The Queen is back! Nach einem fulminanten Auftritt in der Zitadelle Spandau Mitte Juni legten Polly Jean Harvey und ihre hochkarätige 9-köpfige Liveband nun in Köln nach. Zwar konnte das Palladium die hübsche Kulisse der Zitadelle bei Sonnenuntergang nicht toppen, allerdings war es bei ca. 10°C Außentemperatur ein verkraftbares Übel, dass es diesmal kein Open Air Konzert war. Dafür punktete die Location aber mit einem hervorragenden Sound, bei dem jeder Saiten-Anschlag saß. Alles andere wäre diesem Kader, der u.a. John Parish und Alain Johannes beinhaltete, auch nicht gerecht geworden.

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Der Einlauf glich dem einer Marching Band: Wie Perlen aufgereiht an einer Schnur betraten die zehn gänzlich in Schwarz gekleideten Musiker zu Trommelwirbel die Bühne und stimmten Chain Of Keys an. Schön zu sehen war während der gesamten Show vorallem Harveys Verständnis des Miteinanders: Sie präsentierte sich als Teil des Kollektivs und nicht als Solokünstlerin umringt von austauschbaren Statisten. Bei instrumentalen Parts, zu denen sie z.T. selbst mit ihrem Saxophon beitrug, trat sie wortwörtlich gesehen ein paar Schritte zurück und reihte sich neben ihren Kollegen ein. Zudem war die Beleuchtung gleichmäßig auf alle Beteiligten verteilt.

Frau Harvey war mit ihrer facettenreichen Stimme übrigens nicht nur akustisch faszinierend, sondern auch optisch; so scheint die seit kurzem 47-Jährige entweder verdammt gute Gene zu haben oder einen geheimen Jungbrunnen für sich zu beanspruchen. Hiermit spreche ich, 27, offiziell meinen respektvollen Neid aus. Neben ihr war auch der Einsatz der vielen Instrumente einen Blick wert, zwischen denen die Musiker immer mal wieder wechselten: Neben Gitarren, diversen Drums und Keyboard spielte auch das Saxophon in teilweise bis zu dreifacher Ausführung eine nicht unerhebliche Rolle. Scheiden sich gerade an diesem Blasinstrument die Geister, so sei hier der Hass-Fraktion (zu der ich eigentlich auch gehöre) gesagt, dass der Einsatz gekonnt erfolgt und die Songs tatsächlich bereichert. Von Kitsch keine Spur. Erwähnenswert war zudem die graue Wand, die passend zu Ministry of Defence (dt.: Verteidigungsministerium) im Hintergrund aus dem Boden hochstieg und den gesamten Auftritt über dort blieb. Erst beim Outro des letzten Songs River Anacostia verschwand die Mauer wieder.

Da ihr neuestes Werk The Hope Six Demolition Project am Konzertabend sein Halbjähriges feierte (VÖ 15.04.2016), machten 9 der 11 Songs dieses Albums auch gleich die Häfte der regulären Setlist aus. Die andere Hälfte bestand aus Klassikern wie beispielsweise Let England Shake und To Bring You My Love der jeweils gleichnamigen Alben, oder 50 ft Queenie vom 1993er Album Rid Of Me, welches weg vom Noise-Geschrammel eher zu einer kurzen, knackigen Punkodyssee wurde. Kurz und knackig war ohnehin der gesamte Auftritt: Anderthalb Stunden lagen zwischen dem Aus- und Einschalten der Hallenbeleuchtung. In dieser Zeit gab es 18 Songs, die fast nahtlos ineinander übergingen, gefolgt von zwei Zugaben, zu denen sie sich doch recht lang bitten ließen. Ansonsten übte sich die Britin in landestypischer vornehmer Zurückhaltung, bedankte sich zweimal auf Deutsch und stellte ihre Musiker vor. Ansagen gab es keine. Zum Abschied von der begeisterten Menge gab es nebst einer Verbeugung sogar noch eines der seltenen Lächeln von der ansonsten eher kühl wirkenden Harvey. Respekt also auch an das Publikum in Köln, das ihr dieses entlocken konnte.

Setlist PJ HARVEY @ Köln, Palladium (15.10.2016)

01. Chain Of Keys
02. Ministry Of Defence
03. Community Of Hope
04. Orange Monkey
05. Line In The Sand
06. Let England Shake
07. Words That Maketh Murder
08. The Glorious Land
09. Written On The Forehead
10. To Talk To You
11. Dollar Dollar
12. The Devil
13. The Wheel
14. Ministry Of Social Affairs
15. 50ft Queenie
16. Down By The Water
17. To Bring You My Love
18. River Anacostia
19. Highway 61 (Z)
20. Is This Desire? (Z)

Fotos: Michael Gamon

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3 Comments

  • Geschmack ist ja etwas sehr Subjektives!

    ich weiß zwar was Du meinst Sven, kann das allerdings nur sehr bedingt in dem Fall nachvollziehen. Zum einen war die Halle fast halbleer, so dass von Massen nicht wirklich gesprochen werden kann und was dann auch der Grund war, warum die Ränge geschlossen waren, weil der Innenraum bei einer Öffnung der Ränge noch leerer gewesen wäre, was für den/die Künstler sicher kein schöner Anblick ist. Den Sound fand ich gestern verdammt gut und ich bin, gerade weil genug Platz war, mehrfach rumgelaufen und habe es mir von mehreren Stellen angehört. Klar, wenn man wie ich zb erst nach dem dritten Lied (weil ich zuvor fotografiert habe) in die Halle kommt, dann sind die meisten guten Plätze besetzt, trotzdem war es mir durchaus möglich, ohne drängeln einen Platz zu finden wo man die Musiker sehen konnte (wegen der Säulen war das beim Blick auf PJ selbst zwar komplizierter, aber selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht unmöglich) und so viel größer als Du bin ich auch nicht (1,74m). Eine Zitadelle wird das Palladium sicher nie werden und das hat unsere Autorin ja auch dargestellt, aber auch den Vorteil zur Open Air Location bei einem Konzert Mitte Oktober deutlich gemacht. PJ wäre sicher in einem Opernhaus o.ä. noch besser aufgehoben gewesen, aber das steht nun mal nicht gerade überall mal eben zur Verfügung, vor allem nicht wenn man mit vielen Zuschauern plant. Zitadelle war sicher noch angenehmer und ich bin, wie viele andere, auch nicht unbedingt ein großer Fan des Palladiums, aber gestern fand ich das Palladium, insbesondere vom Sound her, wirklich auch eine gute Alternative. Man merkte sofort, dass an den Reglern jemand saß, der sein Handwerk versteht!

    • Da hast Du in vielen Dingen meine Meinung.

      PJ Harvey paßt inzwischen eher in ein Opernhaus als in eine unbestuhlte riesige Industriehalle und genau das habe ich gestern auch gedacht. Ein Pop/Rockband paßt ins Palladium ohne Frage, aber solche Musik wie PJ Harvey sie macht muß entsprechend zelebriert werden.
      Ihre Musik muß man mit ihrer Performance, und Mimik und Ausstrahlung zusammen aufnehmen können. Das ist dort schon auf der Höhe des Mischpultes unmöglich, woanders störten die Stahlträger (Säulen) den Blick. Nie hatte ich ungestörten Genuß.
      Der Platz in der ersten Reihe wäre aufgrund des gesperrten Ranges die einzige Alternative gewesen.
      Geh mal ein paar Zentimeter runter, wenn Du in der Masse gerade gut siehst, und ich habe viele kleinere Menschen gesehen, die nicht mal ahnen können was für eine Ausstrahlung Polly auf der Bühne hat. Ich babe das in der Zitadelle aus der 5. Reihe gesehen.
      In das Palladium gehört eine Videoleinwand, egal wer dort spielt und kleine Menschen sollten immer die Chance haben auf den Rängen zu stehen, auch wenn dort nur eine platte Pop/Rockband spielt !

      Natürlich hat der Mann an den Reglern einen guten Job gemacht, aber eine Industriehalle ist nun mal kein Konzertsaal und hinten kam bei mir keine Euphorie auf. Erst dachte ich noch sie spielen bockloser als in der Zitadelle, bis ich dann mal den Sound weiter vorne hörte : Da war dann wieder dieses perfekte Timing der Musiker und Polly´s gänsehauttreibende Stimme…es lag nur an der Location, die doch sehr lang ist.

      Ich gehe seit den 1970´er Jahren zu Konzerten und habe z.B. Pierre Boulez mit dem London Symphonie Orchester oder im Juni PJ Harvey in der Zitadelle gesehen, vielleicht habe ich da ein hoch gestecktes Niveau. Aber man fragt sich nach vielen hunderten Konzerten : War es das Geld und den Aufwand für einen Konzertbesuch wert ?

      Viele Großkonzerte mutieren zur kommerziellen Abzocke, daher werde ich Locations wie das Palladium oder die (neue) Batschkapp Frankfurt nicht mehr betreten.

  • Das Konzert im Palladium war ein typisches Groß-Konzert…Scheiß viel Geld für Nichts…viele Massen in eine alte Fabrikhalle gequetscht, aber Musiker, die auf der Bühne alles gaben. Der Sound war hinten sehr schlapp und langweilig, aber man konnte mit 169cm Körpergröße manchmal einen Musiker bis zum Knie sehen.
    Vorne war der Sound gut aber man konnte mit nur 169 cm Größe eigentlich nichts sehen, außer Schultern, Köpfe oder die Display´s von Schlau-Telefonen, so genannten “smart phones“.

    Ich verstehe nicht wie man so etwas gut finden kann…es ist wie Hühner-Eier aus Massentierhaltung zu kaufen…beides ist nicht okay.

    Schade, daß so hohe Kunst in solchen menschenunfreundlichen Hallen abgehalten wird. Die Musik von PJ Harvey paßt einfach nicht da rein. Wir hatten ja gehofft, auf den ersten Rang gehen zu dürfen, weil man dort was sehen kann, aber es war diesmal für VIP´s abgesperrt.
    Beim letzten Mal im Palladium, bei Marilyn Manson im Nov./2015 war dort offen und wir hatten einen super Blick auf die ganze Bühne und konnten toben, genießen und gucken.

    Zum Glück habe ich PJ Harvey im Juni/2016 in der Zitadelle in Berlin gesehen, und der gestrige Abend konnte mir ihre hohe Kunst nicht vermiesen.

    Solche Hallen werde ich in Zukunft nur noch betreten, wenn der liebe Gott spielt oder mir eine Loge oder dergleichen versichert wird !!! So will ich mir nie mehr Musik antun müssen !

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